Zusammenfassung von BGer-Urteil 7B_1180/2025 vom 21. November 2025

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Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des schweizerischen Bundesgerichts detailliert zusammen.

Urteil des Bundesgerichts vom 21. November 2025 (Az. 7B_1180/2025)

I. Einleitung Das Bundesgericht hatte über eine Beschwerde von A.__ gegen den Entscheid der Strafrechtlichen Beschwerdekammer des Kantons Genf vom 30. September 2025 zu befinden, welcher die Verlängerung seiner Untersuchungshaft bis zum 30. November 2025 bestätigte. Kernpunkt der Auseinandersetzung war die Frage, ob die Voraussetzungen für eine weitere Inhaftierung, insbesondere eine Wiederholungsgefahr, gegeben waren und ob allfällige Ersatzmassnahmen oder der Grundsatz der Verhältnismässigkeit der Haftdauer verletzt wurden.

II. Sachverhalt und Vorinstanzen

  1. Vorgeschichte und aktuelle Vorwürfe: A._, ein schweizerisch-kosovarischer Staatsangehöriger, wurde am 28. Februar 2025 verhaftet. Das Ministère public des Kantons Genf eröffnete am 1. März 2025 eine Voruntersuchung wegen Verstössen gegen Art. 33 des Waffengesetzes (WG; RS 514.54) und Art. 19 Abs. 1 lit. a, c und d des Betäubungsmittelgesetzes (BetmG; RS 812.121). Ihm wird vorgeworfen, zum Zeitpunkt seiner Verhaftung eine geladene Pistole und einen Schlagring unberechtigt auf offener Strasse getragen zu haben. Zudem soll er zu Hause eine täuschend echt aussehende Luftpistole, einen Schalldämpfer, ein Zielgerät und Bleimunition besessen sowie am Drogenhandel (Anbau, Besitz und Abgabe von Cannabis zum Verkauf oder Eigenkonsum) beteiligt gewesen sein. A._ bestritt den Drogenhandel und gab an, die geladene Waffe zur Selbstverteidigung zu tragen, da er sich aufgrund früherer gerichtlicher Fehler in Rage befände und "bis zum Tod kämpfen" werde.
  2. Haftanordnung und -verlängerung: Die Untersuchungshaft wurde am 2. März 2025 durch das Tribunal des mesures de contraintes (Zwangsmassnahmengericht, TMC) bis zum 31. Mai 2025 angeordnet und in der Folge mehrfach, zuletzt bis zum 30. November 2025, verlängert. Als Haftgründe wurden Kollusions- und Wiederholungsgefahr genannt.
  3. Verbindung mit früherem Verfahren: Die aktuelle Untersuchung wurde am 4. März 2025 mit einem älteren Verfahren verbunden. In diesem Verfahren, dessen Untersuchung bereits am 13. August und 8. Dezember 2024 mit einer Anklageankündigung abgeschlossen wurde, werden A._ wiederholte Aggressionen, einfache Körperverletzungen, Beleidigungen und Drohungen vorgeworfen. Dies betrifft insbesondere zwei Aggressionen im Jahr 2018 zusammen mit seinen Brüdern gegen fünf verletzte Personen sowie Todesdrohungen ("eine Kugel in den Kopf schiessen") und Beleidigungen in den Jahren 2023 und 2024. A._ bestritt auch diese Vorwürfe.
  4. Psychiatrisches Gutachten und Vorstrafen: Am 24. Juli 2025 wurde ein psychiatrisches Gutachten erstellt. Das Strafregister von A.__ weist zwischen 2013 und 2018 fünf Verurteilungen auf, hauptsächlich wegen Verstössen gegen Art. 33 WG (2013), Art. 19 Abs. 1 BetmG (2013), BetmG-Widerhandlungen (2013, 2013, 2019) und einfacher Körperverletzung (2014, 2016, 2018).
  5. Vorinstanzliche Entscheide: A.__ beantragte am 21. August 2025 seine sofortige Entlassung, allenfalls unter Auflagen. Das Ministère public lehnte dies ab und beantragte die Verlängerung der Haft. Das TMC wies das Entlassungsgesuch am 29. August 2025 ab und verlängerte die Haft. Die Strafrechtliche Beschwerdekammer des Genfer Appellationsgerichts wies die dagegen erhobene Beschwerde am 30. September 2025 ab.

III. Anträge des Beschwerdeführers A.__ beantragte dem Bundesgericht primär die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids, die Verweigerung der Haftverlängerung und seine sofortige Freilassung. Eventualiter verlangte er die Freilassung unter Ersatzmassnahmen wie Hausarrest (allenfalls mit elektronischer Überwachung), Kontaktverbot zu Verfahrensbeteiligten (ausser Anwalt/Therapeut), Verbot des Umgangs mit bestimmten Personen, Pflicht zur psychiatrischen Behandlung und Gewaltprävention, aktive Arbeitssuche und regelmässige Meldepflichten.

IV. Erwägungen des Bundesgerichts

  1. Massgebende Rechtsgrundlagen:

    • Freiheitsentzug: Eine Haft ist nur mit Art. 10 Abs. 2 BV und Art. 5 EMRK vereinbar, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage (Art. 221 StPO), einem öffentlichen Interesse und dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit (Art. 36 Abs. 2 und 3 BV) beruht. Voraussetzungen sind hinreichende dringende Tatverdachtsgründe (Art. 221 Abs. 1 StPO) und einer der Haftgründe der Flucht-, Kollusions- oder Wiederholungsgefahr (Art. 221 Abs. 1 lit. a, b und c StPO).
    • Wiederholungsgefahr (Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO): Dieser Haftgrund setzt voraus, dass der Beschuldigte dringend einer Straftat verdächtigt wird und ernsthaft zu befürchten ist, dass er innert kurzer Zeit schwerwiegende Verbrechen oder Vergehen wiederholen wird, nachdem er bereits gleichartige Straftaten begangen hat. Gemäss Bundesgerichtsprexis (BGE 151 IV 185 E. 2.11) bedingt die Annahme einer einfachen Wiederholungsgefahr im Sinne von Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO, dass der Beschuldigte bereits wegen mindestens zwei gleichartiger Taten verurteilt wurde. Bei der Prognose sind die Häufigkeit und Intensität der Straftaten, eine allfällige Tendenz zur Eskalation der Gewalt sowie die persönlichen Merkmale des Beschuldigten zu berücksichtigen (BGE 146 IV 326 E. 3.1).
    • Psychiatrisches Gutachten: Das Bundesgericht stellte klar, dass das Gutachten zur Klärung des psychischen Zustands und zur Prognosestellung dient, die abschliessende Beurteilung der Wiederholungsgefahr jedoch dem Sachrichter obliegt, der die Relevanz des Gutachtens und dessen wissenschaftliche Methode zu prüfen hat (BGE 149 IV 325 E. 4.2).
    • Ersatzmassnahmen (Art. 237 StPO): Im Rahmen des Verhältnismässigkeitsprinzips (Art. 36 Abs. 3 BV) sind mildere Massnahmen vorrangig, sofern sie den gleichen Zweck wie die Haft erfüllen. Art. 237 Abs. 2 StPO listet exemplarisch mögliche Ersatzmassnahmen auf.
    • Verhältnismässigkeit der Haftdauer (Art. 212 Abs. 3 StPO): Die Dauer der Untersuchungshaft darf die voraussichtliche Freiheitsstrafe im Falle einer Verurteilung nicht überschreiten (BGE 143 IV 168 E. 5.1). Die Schwere der Vorwürfe ist zu berücksichtigen; die Haft kann so lange aufrechterhalten werden, wie sie nicht sehr nahe an die erwartete Strafe herankommt (BGE 145 IV 179 E. 3.1).
  2. Beurteilung der Wiederholungsgefahr:

    • Das Bundesgericht stellte zunächst klar, dass die Vorinstanz eine einfache Wiederholungsgefahr gemäss Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO angenommen hatte und nicht eine qualifizierte Wiederholungsgefahr nach Art. 221 Abs. 1bis StPO.
    • Vorstrafen und aktuelle Vorwürfe: Das Bundesgericht bestätigte die vorinstanzliche Würdigung. A.__ wurde bereits zweimal (2013) wegen Verstössen gegen Art. 33 WG verurteilt, dieselbe Art von Delikt, die Gegenstand des aktuellen Verfahrens ist. Seine Beteuerung, die Waffen zur Selbstverteidigung zu tragen, wurde als appellatorisch und unbehelflich zurückgewiesen. Delikte nach Art. 33 WG werden als abstrakte Gefährdungsdelikte angesehen, die per se gefährlich sind. Das Mitführen einer geladenen Pistole und eines Schlagrings auf offener Strasse sowie der Besitz weiterer Waffen und Munition zu Hause wurden als besonders besorgniserregend eingestuft, insbesondere im Licht der alarmierenden Äusserungen des Beschwerdeführers ("bis zum Tod kämpfen"). Die früheren Verurteilungen wegen einfacher Körperverletzung (2014, 2016, 2018) flossen ebenfalls in die Gesamtwürdigung ein.
    • Eskalation der Delinquenz: Entscheidend war für das Bundesgericht, dass die zusätzlichen, noch nicht rechtskräftig abgeurteilten Vorwürfe (wiederholte Aggressionen, einfache Körperverletzungen, Todesdrohungen 2018, 2023, 2024), obwohl die Unschuldsvermutung gilt, in die globale Risikobeurteilung einbezogen werden durften. Sie zeigten eine "Eskalation der Gefährlichkeit", da A.__ seine deliktischen Handlungen nach früheren Verurteilungen nicht eingestellt, sondern im Gegenteil fortgesetzt hatte.
    • Psychiatrisches Gutachten: Das Gutachten vom 24. Juli 2025, das dem Beschwerdeführer eine mittelschwere Persönlichkeitsstörung und eine wahnhafte Störung (als schwere psychische Störung klassifiziert) sowie ein mittleres Rückfallrisiko für allgemeine Gewalt, illegalen Waffenbesitz und Drogenhandel attestierte, wurde von der Vorinstanz zu Recht berücksichtigt. Die appellatorische Neuinterpretation des Gutachtens durch den Beschwerdeführer wurde abgewiesen.
    • Fazit Wiederholungsgefahr: Angesichts der Vielzahl der belastenden Elemente bejahte das Bundesgericht die Wiederholungsgefahr gemäss Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO. Die Prüfung der Kollusionsgefahr erübrigte sich damit.
  3. Beurteilung der Ersatzmassnahmen:

    • Das Bundesgericht schloss sich der Vorinstanz an, dass keine der vorgeschlagenen Ersatzmassnahmen (ambulante Behandlung, Medikamenteneinnahme, Jobsuche, Wohnsitzauflage) geeignet wären, die Wiederholungsgefahr gleich wirksam wie die Haft zu bannen. Die Zweifel an der Compliance-Bereitschaft des Beschwerdeführers bezüglich einer medikamentösen Behandlung (er wolle sie "auf Probe" akzeptieren) und seine mangelnde Arbeitsmotivation (seit 2013 arbeitslos) wurden als berechtigt erachtet. Das Gutachten selbst habe ein ambulantes Behandlungsprogramm von mindestens einem Jahr empfohlen, um das Rückfallrisiko zu mindern, was im aktuellen Stadium unzureichend sei. Zudem sei die empfohlene Therapie mit der Haft vereinbar. Die appellatorische Argumentation des Beschwerdeführers wurde abgewiesen.
  4. Beurteilung der Verhältnismässigkeit der Haftdauer:

    • Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers habe die Vorinstanz eine konkrete Analyse der voraussichtlichen Strafe vorgenommen, indem sie die verschiedenen Delikte und deren maximalen Strafrahmen berücksichtigte.
    • Das Bundesgericht hielt fest, dass für die Verhältnismässigkeitsprüfung nicht nur die Waffenbesitzdelikte, die Anlass zur Haft gaben, sondern alle im Rahmen des aktuellen Verfahrens vorgeworfenen Straftaten (Verstösse gegen WG und BetmG, wiederholte Aggressionen, einfache Körperverletzungen, Beleidigungen, Drohungen) zu berücksichtigen seien. Unter Berücksichtigung der Konkurrenzregeln (Art. 49 StGB) und der erheblichen Vorstrafen des Beschwerdeführers sei eine Untersuchungshaft von knapp neun Monaten (vom 2. März bis 30. November 2025) im Verhältnis zur zu erwartenden Freiheitsstrafe nicht unverhältnismässig. Die früheren Geldstrafen für WG-Verstösse seien für die aktuelle Bewertung unerheblich.

V. Schlussfolgerung Das Bundesgericht wies die Beschwerde von A.__ vollumfänglich ab. Die Voraussetzungen für die weitere Untersuchungshaft, insbesondere die Wiederholungsgefahr, wurden als gegeben erachtet, und die vorgeschlagenen Ersatzmassnahmen sowie die Verhältnismässigkeit der Haftdauer wurden als nicht verletzt beurteilt. Dem Beschwerdeführer wurde die unentgeltliche Rechtspflege gewährt.

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

Das Bundesgericht bestätigte die Verlängerung der Untersuchungshaft für A.__ bis zum 30. November 2025. Es bejahte eine einfache Wiederholungsgefahr (Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO) basierend auf seinen Vorstrafen (Waffendelikte, Körperverletzungen), den aktuellen, gravierenden Vorwürfen (erneute Waffendelikte, Aggressionen, Todesdrohungen), seinen alarmierenden Äusserungen und einem psychiatrischen Gutachten, das ein mittleres Rückfallrisiko attestierte. Die aktuellen Vorwürfe wurden als "Eskalation der Gefährlichkeit" gewertet. Vom Beschwerdeführer vorgeschlagene Ersatzmassnahmen (z.B. ambulante Behandlung, Jobsuche) wurden als ungeeignet erachtet, die Gefahr zu bannen, da Zweifel an seiner Kooperationsbereitschaft bestanden und die Experten eine längere Behandlungsdauer empfahlen. Schliesslich wurde die Verhältnismässigkeit der Haftdauer von knapp neun Monaten bejaht, da die Schwere aller dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Delikte (Waffen, Drogen, Aggressionen, Drohungen) und seine Vorstrafen eine entsprechend hohe Freiheitsstrafe erwarten liessen. Die Beschwerde wurde somit abgewiesen.