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Gerichtsentscheid: Bundesgericht, Urteil 1C_497/2025 vom 6. November 2025 Parteien: A._ et al. (Beschwerdeführer) gegen Y._ SA, Municipio di Lugano, Dipartimento del territorio del Cantone Ticino, Consiglio di Stato del Cantone Ticino Gegenstand: Baubewilligung (Neubau Wasserreservoir) Vorinstanz: Tribunale amministrativo del Cantone Ticino (Urteil vom 7. Juli 2025)
Detaillierte Zusammenfassung
I. Sachverhalt und Vorverfahren
Die Stadt Lugano (als Rechtsnachfolgerin von Sonvico) ist Eigentümerin der Parzelle aaa in Sonvico (1'538 m²), auf der sich ein städtisches Lagergebäude befindet. Das Grundstück grenzt an ein Wohngebiet mit Reihenhäusern und liegt in der Nähe von Schulen. Im Dezember 2016 reichte das Stadtpräsidium Lugano eine Zonenplanänderung als geringfügige Änderung (vereinfachtes Verfahren) ein. Ziel war es, den Bau eines neuen Wasserreservoirs für drei angrenzende Quartiere zu ermöglichen. Die Parzelle war bereits der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen (AP-EP) zugewiesen, ursprünglich mit der Zweckbestimmung "städtisches Lagergebäude". Die Variante sah vor, die gesamte Parzelle der Zone AP-EP zuzuweisen, die Zweckbestimmung in "Trinkwasserreservoir" zu ändern und neue Bauparameter einzuführen. Eine kleine Restfläche von 131 m² im Nordosten, die zuvor "ohne spezifische Zweckbestimmung" war, sollte ebenfalls der Zone AP-EP zugeschlagen werden. Im Februar 2017 genehmigte das Dipartimento del territorio die Variante, jedoch mit Ausnahme der Umzonierung der Nordostfläche. Gegen diese Zonenplanänderung wurden keine Rechtsmittel eingelegt.
Am 11. Mai 2020 beantragte die Y.__ SA, mit Zustimmung des Stadtpräsidiums Lugano, eine Baubewilligung für den Abriss des bestehenden Lagergebäudes und den Neubau eines Trinkwasserreservoirs sowie von Aussenanlagen. Das Projekt umfasst zwei Stahlreservoirs mit je 400 m³ Fassungsvermögen. Aufgrund der landschaftlichen Sensibilität des Standorts wurden verschiedene Massnahmen zur Reduzierung der Auswirkungen vorgesehen: Aufteilung in zwei Baukörper von je 152 m², Abrundung der Kanten, Begrünung der Betonfassaden, eine geordnete Aussenanlage sowie eine Drehung der Bauwerke, um eine frontale Ausrichtung zu den Wohnhäusern zu vermeiden.
Das Stadtpräsidium erteilte die Baubewilligung am 21. Juni 2021 und wies Einsprachen der Anwohner ab. Diese Einsprachen wurden vom Consiglio di Stato am 30. November 2022 und vom Tribunale cantonale amministrativo am 7. Juli 2025 ebenfalls abgewiesen. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer (Nachbarn) Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht.
II. Rechtliche Würdigung durch das Bundesgericht
1. Kognition und Rügepflicht (Art. 95 lit. a, 106 Abs. 1 und 2 LTF; Art. 9 BV)
Das Bundesgericht prüft die Verletzung von Bundesrecht von Amtes wegen. Bei der Rüge von Verfassungsrechten, wie der Willkür (Art. 9 BV), ist jedoch eine qualifizierte Rügepflicht zu beachten: Die Beschwerdeführer müssen explizit, klar und präzis darlegen, inwiefern die angefochtene Entscheidung verfassungswidrig ist. Das Bundesgericht greift in die Auslegung kantonalen oder kommunalen Rechts nur ein, wenn diese willkürlich ist. Willkür liegt vor, wenn die Lösung offensichtlich unhaltbar ist, in klarem Widerspruch zur tatsächlichen Situation steht oder eine Norm oder einen klaren Rechtsgrundsatz schwerwiegend verletzt. Es genügt nicht, dass eine andere Lösung ebenfalls denkbar oder sogar vorzuziehen wäre. Eine Begründung muss zudem nicht nur im Ergebnis, sondern auch in der Argumentation unhaltbar sein.
2. Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV)
Die Beschwerdeführer machten geltend, das kantonale Gericht habe ihr rechtliches Gehör verletzt, indem es die Begründung zur geordneten und harmonischen Eingliederung des Projekts in die Landschaft gemäss Art. 104 Abs. 2 des kantonalen Raumentwicklungsgesetzes (LST) als unzureichend befunden und das von ihnen eingereichte technische Gutachten des Architekten Z.__ nicht berücksichtigt habe.
Das Bundesgericht hielt fest, dass das rechtliche Gehör das Recht auf Akteneinsicht, auf Anbietung und Abnahme von Beweismitteln sowie auf Teilnahme daran und Äusserung zu den Ergebnissen umfasst. Es steht der Behörde jedoch ein weiter Ermessensspielraum für die antizipierte Beweiswürdigung zu; sie kann Beweismittel ablehnen, wenn sie davon überzeugt ist, dass diese ihren Entscheid nicht beeinflussen würden. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt diesbezüglich nur bei Willkür vor. Das Recht auf einen begründeten Entscheid verlangt lediglich, dass die entscheidwesentlichen Umstände dargelegt werden, damit die Parteien den Entscheid nachvollziehen und anfechten können und die Rechtsmittelinstanz die Begründetheit überprüfen kann.
Im vorliegenden Fall beurteilte das Bundesgericht die Begründung der Vorinstanz als ausreichend. Das kantonale Gericht habe die technischen Merkmale, die anwendbaren Baunormen und die angeblichen, aber ausgeschlossenen, Inventareinträge (ISOS) geprüft und die Gründe für die geordnete und harmonische Eingliederung dargelegt. Die Kritik der Beschwerdeführer sei appellatorischer Natur. Hinsichtlich des nicht explizit erwähnten Gutachtens Z.__ führte das Bundesgericht aus, dass die Vorinstanz es implizit als nicht entscheidwesentlich erachtet habe. Die Sachlage sei durch die anderen Akten (Baugesuch, Fotos, rechtliche Analysen) ausreichend klar. Diese Vorgehensweise sei im konkreten Fall nicht willkürlich, zumal eine umfassende Begründung auf der Grundlage anderer relevanter Beweismittel vorliege.
3. Rüge der willkürlichen Durchführung des Planungsverfahrens (Art. 9 BV)
Die Beschwerdeführer beanstandeten, dass das vorgeschaltete Planungsverfahren für die Parzelle aaa willkürlich gewesen sei, da die Zonenplanänderung nicht im vereinfachten Verfahren hätte behandelt werden dürfen und keine persönliche Mitteilung an die anstossenden Eigentümer erfolgt sei. Sie hätten erst durch die Publikation des Baugesuchs von der Planung erfahren.
Das Bundesgericht erinnerte an den Grundsatz, dass Nutzungspläne im Zeitpunkt ihrer Annahme angefochten werden müssen (Akzessorietät der Plananfechtung, Art. 21 Abs. 2 RPG). Eine nachträgliche, präjudizielle Anfechtung im Rahmen eines Baubewilligungsverfahrens ist nur ausnahmsweise zulässig, z.B. wenn die betroffene Person die ihr auferlegten Einschränkungen zum Zeitpunkt der Planannahme nicht erkennen konnte oder das Verfahren ihr keine angemessene Möglichkeit zum Schutz ihrer Rechte bot.
Die Vorinstanz hatte festgehalten, dass gemäss Art. 35 der damals gültigen LST und Art. 44 der damals gültigen RLST eine persönliche Mitteilung nur an Eigentümer von Grundstücken im Planperimeter erfolgen musste, die direkt und erheblich von den planerischen Massnahmen betroffen waren (z.B. Entzonung, Enteignung, starke Nutzungsbeschränkung). Da die Grundstücke der Beschwerdeführer nicht im Perimeter der "Variante di poco conto" lagen, sei das Stadtpräsidium nicht verpflichtet gewesen, ihnen eine persönliche Mitteilung zukommen zu lassen.
Das Bundesgericht bestätigte diese Auslegung als klar und kohärent. Es verwies auf die eigene Rechtsprechung (BGE 1C_200/2022 vom 11. August 2022), wonach die persönliche Mitteilung eine rein unterstützende und ergänzende Funktion zur Publikation (Art. 4 RPG) hat. Die Unterlassung einer persönlichen Mitteilung an anstossende Eigentümer, deren Grundstücke nicht im Planperimeter liegen, stelle weder eine mangelhafte Mitteilung (Art. 20 des kantonalen Verwaltungsverfahrensgesetzes, LPAmm) noch eine willkürliche Anwendung des kantonalen Rechts dar. Dies gelte auch für vereinfachte Verfahren. Bundesrecht (Art. 33 RPG) schreibe keine persönliche Mitteilung zur Wahrung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) vor. Da keine Verletzung der Partizipationsrechte im Planungsverfahren festgestellt wurde, konnte die Frage, ob das vereinfachte Verfahren zulässig war, offenbleiben. Allfällige Rügen hätten im Planungsverfahren selbst innert der Publikationsfrist vorgebracht werden müssen.
4. Rüge der willkürlichen Anwendung der ästhetischen Klausel (Art. 104 Abs. 2 LST, Art. 9 BV)
Schliesslich rügten die Beschwerdeführer eine willkürliche Anwendung der sog. ästhetischen Klausel gemäss Art. 104 Abs. 2 LST, welche verlangt, dass Eingriffe sich "in geordneter und harmonischer Weise in die Landschaft einfügen". Art. 100 der RLST präzisiert dies dahingehend, dass sich ein Projekt in den umgebenden Raum integrieren und eine qualitativ hochwertige Beziehung zu den bestehenden Strukturen und den Gegebenheiten des Ortes herstellen muss. Dies ist eine positive Ästhetikklausel, die nicht nur die Vermeidung von Störungen, sondern auch die Förderung der Gesamtqualität der Landschaft verlangt.
Das Bundesgericht hielt fest, dass diese Klausel einen unbestimmten Rechtsbegriff darstellt, der den Behörden einen gewissen Beurteilungsspielraum einräumt. Die richterliche Kontrolle ist daher zurückhaltend. Die Vorinstanz hatte die vorgesehenen Bauwerke als harmonisch beurteilt, unter Verweis auf die geordnete Eingliederung und die vorgesehenen Milderungsmassnahmen.
Die Beschwerdeführer argumentierten, dass die Begründung der Vorinstanz zu den ästhetischen Aspekten unzureichend sei und die Milderungsmassnahmen (Zweiteilung der Reservoirs, Abrundung der Kanten, Begrünung) die landschaftliche Beeinträchtigung nicht beseitigten. Sie verwiesen erneut auf das Gutachten Z.__, welches eine unzureichende Berücksichtigung der Standortanalyse und eine rein gemeindeinteressenbasierte Standortwahl kritisiere, während Wasserreservoirs üblicherweise an abgelegenen Orten stünden.
Das Bundesgericht verwarf diese Rügen. Es stellte fest, dass keine willkürliche Sachverhaltsfeststellung dargelegt wurde. Die Argumente des Gutachtens Z.__ bezüglich der historischen Entwicklung des Quartiers und der "üblichen" Platzierung von Reservoirs seien für die Beurteilung der Ästhetik im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens irrelevant, da die Planungsentscheide nicht mehr in Frage gestellt werden könnten. Ein einfaches Abweichen vom Standpunkt des privaten Architekten genüge nicht, um einen Ermessensmissbrauch darzulegen.
Das Bundesgericht betonte, dass eine Ästhetikklausel nicht dazu führen darf, die Substanz der geltenden Zonenordnung auszuhöhlen. Wenn ein Zonenplan eine bestimmte Baumöglichkeit vorsieht, kann ein Bauverbot aufgrund ästhetischer Gründe nur gerechtfertigt sein, wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse betroffen ist oder die Ausnutzung der Baurechte unzumutbar erscheint, z.B. zum Schutz eines besonders wertvollen Standorts.
Im vorliegenden Fall befand das Bundesgericht die Beurteilung der Vorinstanz als schlüssig. Das Projekt halte sich an die Vorschriften der AP-EP-Zone mit der spezifischen Zweckbestimmung "Trinkwasserreservoir". Die vorgesehenen Massnahmen – Aufteilung in zwei Baukörper (je 152 m², Höhe 8,60 m), Begrünung, Abrundung der Kanten, Drehung zur Reduzierung des frontal wirkenden Impacts und geordnete Aussenanlage – seien geeignet, eine geordnete und harmonische Eingliederung zu gewährleisten. Das Bundesgericht übt bei der Beurteilung ästhetischer Klauseln und lokaler Verhältnisse eine gewisse Zurückhaltung aus, da die kantonalen und kommunalen Behörden hierfür einen weiten Ermessensspielraum haben. Die Befürchtung, dass die Begrünung unzureichend sein könnte, wurde als blosse Hypothese, die die Baubewilligung nicht verhindern könne, zurückgewiesen.
5. Weitere Rügen (Verkehrskollaps)
Eine weitere vage Rüge bezüglich eines angeblichen Verkehrschaos im Zusammenhang mit der Nutzung des Grundstücks als Parkplatz für Eltern der Schulkinder wurde vom Bundesgericht als unzulässig erachtet, da weder eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung noch eine Rechtsverletzung substanziiert wurde.
III. Fazit
Die Beschwerde wurde, soweit zulässig, abgewiesen.
Zusammenfassung der wesentlichen Punkte: