Im Folgenden wird das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts 6B_695/2025 vom 14. November 2025 detailliert zusammengefasst:
Einleitung
Das Bundesgericht hatte über eine Beschwerde in Strafsachen von A.A. (Beschwerdeführer) gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 25. März 2025 zu befinden. Der Beschwerdeführer wurde von der Vorinstanz wegen Mordes, Betrugs und mehrfachen Vergehens gegen das Waffengesetz verurteilt. Im Zentrum der bundesgerichtlichen Prüfung stand die Anfechtung des Schuldspruchs wegen Mordes i.S.v. Art. 112 StGB, insbesondere die vorinstanzliche Verneinung einer Notwehrlage und die Rüge der willkürlichen Sachverhaltsfeststellung.
I. Sachverhalt und Vorinstanzliche Würdigung
A. Sachverhalt (Kurzfassung der Anklageschrift):
Der Beschwerdeführer A.A. ist der Grossvater von C.B., dessen Ehefrau B.B. (Opfer) anfangs 2020 mit den drei gemeinsamen Kindern von Serbien in die Schweiz reiste. B.B. reichte im Juni 2020 die Scheidung ein und erstattete eine Strafanzeige wegen Drohung gegen ihren Ehemann. A.A. erfuhr von der Scheidung, der Strafanzeige und der ausserehelichen Beziehung von B.B. in der Schweiz, nachdem die beiden älteren Kinder im Februar 2021 ferienhalber zu ihm nach Serbien gereist waren.
A.A. fasste daraufhin den Entschluss, in die Schweiz zu reisen und B.B. zu töten, falls sie sich seinem Willen widersetzen und nicht mit den Kindern zu C.B. nach Serbien zurückkehren würde. Er rechnete dabei von Anfang an mit einer ablehnenden Haltung des Opfers. Am 13. Februar 2021 reiste er mit einem in Serbien registrierten Revolver samt Munition, ohne die erforderlichen Bewilligungen für die Schweiz, in die Schweiz ein. Am 16. Februar 2021 suchte er B.B. in ihrer Wohnung auf. Nachdem er ca. 15 Minuten alleine mit ihr und seiner Urenkelin in der Wohnung gewesen war und die Tür abgeschlossen hatte, schoss er um ca. 11.50 Uhr aus nächster Nähe sechs Mal (drei Mal in den Oberkörper, drei Mal in den Kopf) auf B.B., die sich neben ihrer 19 Monate alten Tochter befand. Sie starb sofort. Die Anklage qualifizierte die Tat als Mord wegen besonders skrupellosen Vorgehens (Heimtücke, nichtige Beweggründe, Beseitigungswille, krasser Egoismus, Geringschätzung menschlichen Lebens, überschiessender Vernichtungswille).
B. Vorinstanzlicher Entscheid (Obergericht des Kantons Zürich):
Das Bezirksgericht Winterthur hatte A.A. bereits des Mordes, Betruges und mehrfachen Vergehens gegen das Waffengesetz schuldig gesprochen und zu 20 Jahren Freiheitsstrafe sowie einer Landesverweisung von 15 Jahren verurteilt. Das Obergericht bestätigte den Schuldspruch des Mordes und Betruges (der Schuldspruch wegen Waffengesetzesverstoss war bereits rechtskräftig), reduzierte die Freiheitsstrafe auf 19 Jahre und hielt an der Landesverweisung von 15 Jahren fest.
II. Beschwerdegründe des Beschwerdeführers und Erwägungen des Bundesgerichts
Der Beschwerdeführer beantragte vor Bundesgericht die Aufhebung des Mord-Schuldspruchs, Freispruch davon, eine milde Strafe für Betrug und Waffendelikte, den Verzicht auf die Landesverweisung und Entschädigung für unrechtmässige Haft. Er machte geltend, die Vorinstanz habe eine Notwehrlage zu Unrecht verneint und den Sachverhalt willkürlich festgestellt.
1. Verneinung der Notwehrlage und Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung (Art. 112 StGB, Art. 97 Abs. 1 BGG, Art. 106 Abs. 2 BGG)
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, wie er von der Vorinstanz festgestellt wurde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Eine Sachverhaltsrüge kann nur erhoben werden, wenn die Feststellung offensichtlich unrichtig (willkürlich) ist oder auf einer Rechtsverletzung beruht und die Behebung des Mangels entscheidend für den Verfahrensausgang ist (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). Willkür in der Beweiswürdigung liegt vor, wenn der Entscheid schlechterdings unhaltbar ist oder in klarem Widerspruch zur tatsächlichen Situation steht; das bloss mögliche Erscheinen einer anderen Lösung genügt nicht. Die Rüge der Willkür erfordert eine substanziierte Begründung (Art. 106 Abs. 2 BGG).
Die Vorinstanz hatte den vom Beschwerdeführer geschilderten Angriff durch das Opfer unmittelbar nach dem Betreten des Wohnzimmers als nicht glaubhaft erachtet. Sie stützte sich dabei auf folgende wesentliche Punkte:
- Zeitlicher Ablauf und Kommunikation: Es sei erstellt, dass der Beschwerdeführer rund 15 Minuten alleine mit dem Opfer in der Wohnung verbrachte, bevor die Schüsse fielen. In diesem Zeitraum sei eine Kommunikation naheliegend. Die Hypothese, dass sie Kaffee tranken und das Opfer die Rückkehr nach Serbien ablehnte, sei plausibel. Ein unmittelbar nach Betreten der Wohnung erfolgter Angriff, wie vom Beschwerdeführer behauptet, sei damit widerlegt.
- Inkohärenz der Aussagen und fehlende Beweise: Die Angaben des Beschwerdeführers zum angeblichen Angriff seien inkohärent, widersprüchlich und überdies aggravierend (übertreibend). Es sei kein Messer am Tatort sichergestellt worden, wofür der Beschwerdeführer keine schlüssige Erklärung liefern konnte. Er konnte auch keinen plausiblen Grund für einen Angriff seitens des Opfers nennen.
- Schusswaffengutachten und Obduktionsgutachten: Die Schilderungen des Beschwerdeführers zur Distanz und zum genauen Ablauf der Schussabgaben seien unpräzise und widersprüchlich und fänden keine Stütze in den Gutachten (FOR und IRM), welche von Nahschüssen (30-50 cm, z.T. unter 5-10 cm) ausgingen. Die vom Beschwerdeführer behaupteten deutlich grösseren Distanzen seien damit widerlegt.
- Verhalten des Beschwerdeführers: Eine Nachbarin beschrieb den Beschwerdeführer kurz nach der Tat als "ganz abwesend, teilnahmslos, ruhig". Dies spreche gegen eine unmittelbar vorgängige, emotional aufwühlende Angriffssituation, wie sie bei einem Notwehrvorgang zu erwarten wäre.
2. Auseinandersetzung mit den spezifischen Rügen des Beschwerdeführers:
- Argument des Schlaganfalls: Der Beschwerdeführer machte geltend, seine Einvernahmen seien aufgrund eines im April 2021 erlittenen Schlaganfalls und der damit verbundenen hirnorganischen Veränderungen belastet gewesen, weshalb Widersprüche nicht zu seinen Ungunsten gewertet werden dürften. Das Bundesgericht hielt fest, dass sich die Vorinstanz mit diesem Vorbringen auseinandergesetzt habe. Es seien weder gestützt auf die gutachterlichen Abklärungen zur Verhandlungs- und Schuldfähigkeit noch im Rahmen der gerichtlichen Aussagewürdigung Umstände erkennbar, die darauf hindeuteten, dass der Beschwerdeführer nicht bewusst war, was er zu Protokoll gab. Entscheidend war zudem, dass bereits die ersten vier Befragungen, die vor dem Schlaganfall stattfanden und in denen er von einem Würgeangriff sprach, von Widersprüchen geprägt und als unglaubhaft beurteilt worden waren. Die Argumentation des Beschwerdeführers verfing somit nicht.
- Argument der Schussdistanzen: Der Beschwerdeführer rügte, die Vorinstanz verkenne, dass er nicht in der Lage gewesen sei, Distanzen exakt zu beziffern, und ignoriere die Möglichkeit, dass die Länge eines gebeugten oder ausgestreckten Armes relevant sei. Das Bundesgericht folgte dieser Kritik nicht. Es betonte, dass die Vorinstanz die Aussagen des Beschwerdeführers detailliert geprüft, Widersprüche aufgezeigt und festgestellt habe, dass er sein Aussageverhalten offensichtlich dem Beweisergebnis anpasste. Die vorinstanzliche Würdigung, die auf das Schusswaffengutachten abstellte, sei nicht willkürlich. Die Vorinstanz habe auch keine "exakte zeitliche und räumliche Orientierung" verlangt.
- Argument des Bewegungsablaufs und der Schussfolge: Der Beschwerdeführer wendete sich gegen die vorinstanzlichen Ausführungen zur Schussfolge und zum Bewegungsablauf und wiederholte teilweise seine bereits vor Vorinstanz präsentierten Einwände. Er argumentierte, die vorinstanzliche Mutmassung zum Umlaufen des Salontisches sei ausgeschlossen und sie stütze sich willkürlich auf das Gutachten, obwohl andere Abläufe nicht ausgeschlossen seien. Das Bundesgericht verwarf diese Rüge, da der Beschwerdeführer seine eigene Darstellung lediglich mit Behauptungen begründete, die bereits im Rahmen der Beweiswürdigung als klar widerlegt erachtet worden waren. Die Vorinstanz habe seine Darlegung nicht unbeachtet gelassen, sei jedoch aufgrund der diversen Widersprüche und der Gutachten zum Ergebnis gekommen, dass seine Aussagen nicht glaubhaft seien. Der Umstand, dass ein anderes Ergebnis ebenfalls möglich erscheinen mag, begründet keine Willkür. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs wurde ebenfalls verneint.
3. Weitere Anträge:
Die weiteren Anträge des Beschwerdeführers betreffend Strafzumessung, Landesverweisung, Entschädigung sowie Schadenersatz- und Genugtuungsforderungen wurden vom Beschwerdeführer nicht begründet, weshalb das Bundesgericht darauf nicht weiter einging.
4. Kosten und unentgeltliche Rechtspflege:
Die Beschwerde wurde abgewiesen. Der Beschwerdeführer wurde kostenpflichtig. Sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wurde jedoch gutgeheissen, da die Bedürftigkeit gegeben und die Beschwerde nicht von vornherein aussichtslos war.
III. Schlussfolgerung der wesentlichen Punkte
Das Bundesgericht bestätigte den Schuldspruch des Mordes (Art. 112 StGB) gegen A.A. Die zentralen Punkte des Urteils sind:
- Ablehnung der Notwehrlage: Das Bundesgericht schützte die vorinstanzliche Feststellung, dass keine Notwehrlage vorlag. Die Schilderungen des Beschwerdeführers zu einem Angriff des Opfers wurden als unglaubhaft, widersprüchlich und nicht durch objektive Beweismittel (Tatortbefund, Gutachten) gestützt beurteilt. Insbesondere die lange Verweildauer alleine mit dem Opfer vor der Tat und die fehlende Auffindung eines Messers sprachen gegen die Darstellung des Beschwerdeführers.
- Keine Willkür in der Sachverhaltsfeststellung: Die Rüge der willkürlichen Sachverhaltsfeststellung wurde abgewiesen. Das Bundesgericht befand, dass die Vorinstanz die Beweismittel – namentlich die Aussagen des Beschwerdeführers, Zeugenaussagen, das Schusswaffengutachten und das Obduktionsgutachten – umfassend und schlüssig gewürdigt habe. Auch das Argument des Schlaganfalls des Beschwerdeführers zur Erklärung von Widersprüchen in seinen Aussagen wurde verworfen, da bereits frühe Aussagen widersprüchlich waren und keine signifikante Beeinträchtigung der Aussagetüchtigkeit festgestellt wurde.
- Strafzumessung und Landesverweisung: Da der Beschwerdeführer seine Anträge bezüglich Strafzumessung und Landesverweisung nicht begründete, wurde darauf nicht eingegangen. Der Mord-Schuldspruch und die damit verbundene Strafe und Landesverweisung wurden im Ergebnis bestätigt.
- Unentgeltliche Rechtspflege: Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wurde bewilligt, da die Beschwerde nicht als von vornherein aussichtslos erachtet wurde.
Insgesamt hielt das Bundesgericht fest, dass die detaillierte Beweiswürdigung der Vorinstanz, welche die Glaubhaftigkeit der Aussagen des Beschwerdeführers kritisch hinterfragte und auf objektive Gutachten abstützte, nicht offensichtlich unrichtig und somit nicht willkürlich war.