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I. Einleitung und Sachverhalt
Das Bundesgericht hatte in den vorliegend vereinigten vier Verfahren über die materielle Zuständigkeit der Genfer Arbeitsgerichte (Tribunal des prud'hommes) zu entscheiden. Streitgegenstand waren Forderungen zweier Arbeitnehmer (C._ und F._, nachfolgend: die Arbeitnehmer) gegen ihren Arbeitgeber und die mit dem Arbeitgeber eine Kollektivarbeitsvertrag (CCT) abschliessenden Gewerkschaften (A._ und B._, nachfolgend: die Gewerkschaften oder Beschwerdeführer) auf Rückerstattung zu viel bezahlter Solidaritätsbeiträge gemäss CCT.
Die Gewerkschaften A._ und B._ sind als Vereine schweizerischen Rechts konstituierte Gewerkschaften. Die Arbeitnehmer C._ und F._ waren langjährige Angestellte, deren Arbeitsverträge 2021 auf die E._ SA übertragen wurden. Sie waren nicht Mitglieder der Gewerkschaften A._ oder B._, sondern seit 2005 Mitglieder einer anderen Gewerkschaft (G._).
Die Schweizerische Post SA sowie verschiedene ihrer Tochtergesellschaften, darunter E._ SA, hatten mit den Gewerkschaften A._ und B.__ eine CCT abgeschlossen. Diese CCT sah die Erhebung eines monatlichen Solidaritätsbeitrags vom Lohn der Mitarbeitenden vor. Die Höhe dieses Beitrags änderte sich über die Jahre: * 2002-2015: CHF 7.- pro Monat; nicht erhoben, wenn bereits ein Beitrag an eine vertragschliessende Gewerkschaft geleistet wurde. * 2016-2020: CHF 10.- pro Monat als "Beitrag an die Ausführungskosten"; erhoben von Mitarbeitenden, die nicht einer vertragschliessenden Gewerkschaft angehörten. * 2021-2023: 0.35 % des Grundlohns als "monatlicher Beitrag an die Ausführungskosten"; erhoben von Mitarbeitenden, die keiner vertragschliessenden Gewerkschaft angehörten (Mitglieder einer solchen Gewerkschaft entrichteten ihren Beitrag direkt an die Gewerkschaft).
Die Arbeitnehmer C._ und F._, deren Gehälter 2021 monatlich brutto CHF 8'737.25 bzw. CHF 6'248.- betrugen, sahen sich mit monatlichen Abzügen von CHF 33.10 bzw. CHF 23.65 als "CCT-Ausführungskosten" konfrontiert. Sie beanstandeten die Erhöhung dieses Beitrags ab 2021 als Verstoss gegen die Koalitionsfreiheit (Art. 356b Abs. 2 OR) und forderten von ihrem Arbeitgeber die Rückerstattung der zu viel bezahlten Beträge sowie die Reduktion des künftigen Beitrags. Die Arbeitgeberseite erklärte sich bereit, sich dem Ergebnis des Prozesses zu unterwerfen, weshalb der Streit im Wesentlichen zwischen den Arbeitnehmern und den Gewerkschaften ausgetragen wurde.
II. Prozessweg vor den kantonalen Instanzen
Die Arbeitnehmer reichten ihre Klagen beim Tribunal des prud'hommes des Kantons Genf ein. Sie beantragten die Feststellung, dass Art. 2.19.7 der CCT im Widerspruch zur Koalitionsfreiheit stehe, die Verurteilung des Arbeitgebers zur Rückerstattung der unrechtmässig erhobenen Beiträge (rund CHF 1'549.60 bzw. CHF 1'398.40) sowie ein Verbot künftiger Abzüge in dieser Höhe. Subsidiär beantragten sie eine Reduktion des Beitrags auf CHF 5.- pro Monat ab 2021 und eine entsprechende Rückerstattung.
Die Gewerkschaften bestritten die materielle Zuständigkeit des Tribunal des prud'hommes. Ihrer Ansicht nach handle es sich nicht um eine Streitigkeit aus einem individuellen Arbeitsvertrag zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, sondern um eine kollektivarbeitsrechtliche Auseinandersetzung zwischen einem dissidenten Arbeitnehmer und allen Parteien des Gesamtarbeitsvertrags, welche nicht in die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte falle.
Das Tribunal des prud'hommes Genf erklärte sich mit Urteilen vom 12. Juni 2023 für zuständig und die Klagen für zulässig. Gegen diese Entscheide legten die Gewerkschaften bei der Chambre des prud'hommes der Cour de justice des Kantons Genf Berufung und Beschwerde ein. Die kantonale Arbeitsgerichtskammer wies die Rechtsmittel mit Urteilen vom 9. Dezember 2024 ab und bestätigte die Zuständigkeit der ersten Instanz.
III. Rechtsmittel vor Bundesgericht
Die Gewerkschaften erhoben gegen die Urteile der kantonalen Arbeitsgerichtskammer sowohl eine ordentliche zivilrechtliche Beschwerde als auch eine subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht.
1. Zulässigkeit der Rechtsmittel
Das Bundesgericht vereinigte die vier identischen Beschwerden zur gemeinsamen Beurteilung.
Zivilrechtliche Beschwerde (Recours en matière civile): Das Bundesgericht stellte fest, dass die Hauptforderung der Arbeitnehmer auf Rückerstattung von Lohnabzügen zielte und somit pekuniärer Natur war. Obwohl die Begründung der Klage die Koalitionsfreiheit betraf, diente diese verfassungsrechtliche Rüge lediglich als Grundlage für die Geldforderung und war somit sekundär. Da die Streitwerte in beiden Fällen unter der für arbeitsrechtliche Streitigkeiten geltenden Schwelle von CHF 15'000.- (Art. 74 Abs. 1 lit. a BGG) lagen, erklärte das Bundesgericht die zivilrechtlichen Beschwerden als unzulässig (irrecevables).
Subsidiäre Verfassungsbeschwerde (Recours constitutionnel subsidiaire): Da die Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 30 Abs. 1 BV (Recht auf einen gesetzlichen Richter) rügten, erachtete das Bundesgericht die subsidiären Verfassungsbeschwerden als zulässig (recevables), da ein schutzwürdiges Interesse an der Klärung der gerichtlichen Zuständigkeit vorlag (Art. 115, 116 BGG).
2. Begründung des Bundesgerichts in der Sache (Materielle Zuständigkeit)
Die Beschwerdeführer machten eine Verletzung von Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Abs. 1 EMRK geltend, da ihr Recht auf Beurteilung durch ein materiell zuständiges Gericht missachtet worden sei. Sie rügten zudem eine willkürliche Anwendung (Art. 9 BV) des kantonalen Genfer Rechts, insbesondere von Art. 1 Abs. 1 des Gesetzes über das Tribunal des prud'hommes (LTPH-GE).
2.1. Prüfungsstandard
Das Bundesgericht prüft die Anwendung kantonalen Rechts im Rahmen der subsidiären Verfassungsbeschwerde nur auf Willkür hin. Eine Lösung ist willkürlich, wenn sie offensichtlich unhaltbar ist, eine Norm oder einen klaren und unbestrittenen Rechtsgrundsatz krass missachtet oder dem Gerechtigkeits- und Billigkeitsempfinden in stossender Weise zuwiderläuft. Nicht die Begründung, sondern das Ergebnis des Entscheids muss willkürlich sein (Art. 106 Abs. 2 BGG i.V.m. Art. 117 BGG; BGE 145 II 32 E. 5.1).
2.2. Argumente der Beschwerdeführer und Gegenargumente des Bundesgerichts
Die Gewerkschaften argumentierten, die kantonale Arbeitsgerichtskammer habe zu Unrecht die materielle Zuständigkeit des Tribunal des prud'hommes bestätigt, indem sie die Streitigkeit als "aus einem Arbeitsvertrag im Sinne des zehnten Titels des Obligationenrechts entspringende Streitigkeit" gemäss Art. 1 Abs. 1 lit. a LTPH-GE qualifizierte. Sie behaupteten, es handle sich um eine kollektivarbeitsrechtliche Streitigkeit, die gegen alle Parteien der CCT gerichtet werden müsse und nicht aus dem individuellen Arbeitsvertrag resultiere. Sie verwiesen dabei auf eine juristische Lehrmeinung (Bruchez).
Das Bundesgericht wies diese Rügen wie folgt zurück:
Weite Auslegung des Begriffs "Streitigkeit aus dem Arbeitsverhältnis": Die Rechtsprechung anerkenne tatsächlich eine weite Auslegung des Begriffs der "Streitigkeit aus dem Arbeitsverhältnis" (BGE 137 III 32 E. 2.1). Es sei nicht entscheidend, ob die Parteien Arbeitgeber und Arbeitnehmer seien, sondern ob der Anspruch seinen Ursprung in einem Arbeitsverhältnis habe und ein Zusammenhang zwischen dem Anspruch und einem Arbeitsverhältnis bestehe (Urteil 4A_580/2013 vom 26. Juni 2014 E. 4.3).
Konkrete Umstände des vorliegenden Falls: Im vorliegenden Fall betrafen die von den Arbeitnehmern gerichtlich geltend gemachten Ansprüche die Rückerstattung von Lohnabzügen, die ihr Arbeitgeber vorgenommen hatte. Die Klagen richteten sich gegen den Arbeitgeber und betrafen deren Löhne. Es sei daher nicht willkürlich, die Streitigkeit als dem Arbeitsrecht zugehörig zu betrachten.
Einordnung von Art. 356b OR: Der von den Klägern als Rechtsgrundlage angerufene Art. 356b OR sei im zehnten Titel des Obligationenrechts (Arbeitsvertrag) angesiedelt. Es sei daher ebenfalls nicht willkürlich, anzunehmen, dass das Genfer Recht Streitigkeiten, die diesen Artikel betreffen, dem Tribunal des prud'hommes zuweist (Art. 1 Abs. 1 LTPH-GE).
Ablehnung der gegenteiligen Lehrmeinung: Das Bundesgericht stellte ausdrücklich fest, dass die von den Beschwerdeführern zitierte Lehrmeinung im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichts stehe. Es verwies auf ein früheres, wenn auch nicht in der Amtlichen Sammlung publiziertes Urteil (4A_24/2015 vom 28. September 2015 E. 1), in dem das Bundesgericht eine ähnliche Streitigkeit dem Arbeitsrecht zugeordnet hatte.
Keine Verletzung von Art. 30 BV: Das Bundesgericht hielt fest, dass das Genfer Arbeitsgericht (Tribunal des prud'hommes) in einem formellen Gesetz eingerichtet sei und dessen Zuständigkeit regele. Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Gerichts seien von den Beschwerdeführern nicht bestritten worden. Die Entscheidung, ob eine konkrete Angelegenheit in die Zuständigkeit des Gerichts falle, sei eine Frage der Auslegung des Gesetzes und stehe nicht im Widerspruch zu Art. 30 BV.
IV. Schlussfolgerung des Bundesgerichts
Basierend auf diesen Erwägungen wies das Bundesgericht die Rügen der willkürlichen Anwendung kantonalen Rechts sowie der Verletzung von Art. 30 BV und Art. 6 EMRK zurück.
Die Gerichtskosten in Höhe von CHF 2'000.- wurden den Beschwerdeführern solidarisch auferlegt. Zudem wurden sie solidarisch zur Zahlung einer Parteientschädigung von CHF 2'500.- an die Beschwerdegegner verpflichtet.
V. Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte
Das Bundesgericht bestätigte in vier vereinigten Verfahren die materielle Zuständigkeit der Genfer Arbeitsgerichte (Tribunal des prud'hommes) für Klagen von Arbeitnehmern gegen ihren Arbeitgeber und Gewerkschaften auf Rückerstattung von Solidaritätsbeiträgen aus einem Gesamtarbeitsvertrag (CCT). Es lehnte die Argumentation der Gewerkschaften ab, wonach es sich um eine kollektivarbeitsrechtliche Streitigkeit handle, die nicht in die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte falle. Das Gericht stützte sich dabei auf die weite Auslegung des Begriffs "Streitigkeit aus dem Arbeitsverhältnis" in der Rechtsprechung. Es betonte, dass der Anspruch auf Rückerstattung von Lohnabzügen direkt aus dem individuellen Arbeitsverhältnis resultiere und die rechtliche Begründung (Koalitionsfreiheit gemäss Art. 356b OR) im Kontext des zehnten Titels des OR (Arbeitsvertrag) stehe. Eine entgegenstehende Lehrmeinung wurde als im Widerspruch zur bundesgerichtlichen Rechtsprechung stehend qualifiziert. Die subsidiären Verfassungsbeschwerden wurden abgewiesen, während die zivilrechtlichen Beschwerden aufgrund des zu geringen Streitwerts als unzulässig erklärt wurden.