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Das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts (6B_193/2025 vom 12. November 2025) befasst sich im Wesentlichen mit der Zulässigkeit und Höhe einer Ersatzforderung des Staates gemäss Art. 71 Abs. 1 StGB im Kontext von irreführenden Preiswerbungen, die als Widerhandlung gegen das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) qualifiziert wurden.
I. Sachverhalt und Vorinstanzen
Die Beschwerdeführerin, A.__ SA, wurde vom Ministère public des Kantons Waadt (nachfolgend: Staatsanwaltschaft) angeklagt, seit mindestens Juni 2018 in ihren Filialen, auf ihrer Website und in ihren Katalogen eine irreführende Preispolitik betrieben zu haben. Sie zeigte neben dem effektiven Verkaufspreis oft einen deutlich höheren, durchgestrichenen Preis an, der entweder als "Autovergleich" (Vergleich mit dem früheren eigenen Preis) oder gelegentlich als "Konkurrenzvergleich" deklariert wurde. Tatsächlich entsprach der durchgestrichene Preis bei Autovergleichen nicht dem zuvor tatsächlich praktizierten Preis, und bei Konkurrenzvergleichen nicht dem von der Mehrheit der Konkurrenz praktizierten Preis. Die Anklageschrift listete 91 konkrete Artikel auf, für die solche Mängel festgestellt wurden.
Das erstinstanzliche Tribunal correctionnel de l'arrondissement de Lausanne sprach A.__ SA am 9. Juni 2023 einer Widerhandlung gegen das UWG schuldig, verurteilte sie zu einer Busse von CHF 5'000 und sprach eine Ersatzforderung von CHF 1'500'000 zugunsten des Staates aus. Die Cour d'appel pénale des Tribunal cantonal des Kantons Waadt bestätigte dieses Urteil am 28. August 2024. Die Beschwerdeführerin focht das Urteil vor Bundesgericht an, insbesondere in Bezug auf die Ersatzforderung.
II. Rechtliche Erwägungen des Bundesgerichts
Das Bundesgericht prüfte die Rügen der Beschwerdeführerin unter dem Aspekt der willkürlichen Sachverhaltsfeststellung und der Verletzung der Art. 70 Abs. 5 StGB (Schätzung bei Einziehung) und Art. 71 Abs. 1 StGB (Ersatzforderung).
1. Willkürliche Sachverhaltsfeststellung (Art. 97 Abs. 1, 105 Abs. 2 LTF i.V.m. Art. 9 BV)
Rüge 1: "Gesamtheit oder quasi-Gesamtheit" der Aktionen sei irreführend: Die Beschwerdeführerin beanstandete, die Vorinstanz habe willkürlich festgestellt, dass ihre Preispolitik für die "Gesamtheit oder quasi-Gesamtheit" ihrer Aktionen irreführend gewesen sei, basierend auf lediglich 91 von rund 33'000 Artikeln. Das Bundesgericht verneinte Willkür in diesem Punkt. Es stellte fest, dass die Vorinstanz zwar anfänglich Formulierungen aus der Anklageschrift übernommen hatte, in ihrer Begründung zur Höhe der Ersatzforderung jedoch präzisiert habe, dass "nicht die gesamte Palette der beworbenen Produkte betroffen war". Auch sei die Ersatzforderung von CHF 1'500'000 (was 4 % des EBITDA und 0.29 % des Umsatzes entspricht) weit davon entfernt, sämtliche Werbeaktionen abzudecken. Ferner hätte eine Verurteilung wegen nicht präzise in der Anklageschrift beschriebener Widerhandlungen das Akkusationsprinzip (Art. 9 StPO) verletzt. Das Bundesgericht folgerte, die Vorinstanz habe nicht festgestellt, dass der Grossteil oder die Gesamtheit der Aktionen irreführend gewesen sei.
Rüge 2: IT-Problem bei 58 G2-Artikeln (Elektronik): Die Beschwerdeführerin machte geltend, dass bei 58 Elektronikprodukten (Kategorie G2) die festgestellten Mängel (Angabe von "(a)" für Autovergleich statt "(c)" für Konkurrenzvergleich) auf ein blosses IT-Problem zurückzuführen seien und dies keine kausale Rolle für die Kaufentscheidung gespielt habe. Das Bundesgericht hielt fest, dass die Vorinstanz die Zeugenaussagen der Mitarbeiter über mögliche IT-Fehler berücksichtigt hatte und die Verurteilung wegen fahrlässiger Widerhandlung gegen das UWG (Art. 24 Abs. 2 UWG) erfolgte, die von der Beschwerdeführerin in der Berufung nicht bestritten worden war. Die Feststellung, dass der Code "oft falsch" war, sei nicht willkürlich. Die Frage, ob die fehlerhafte Kennzeichnung kausal für einen Kauf war, sei eine Rechtsfrage zur Ersatzforderung und werde gesondert geprüft.
2. Kausalzusammenhang zwischen Widerhandlung und Vermögensvorteil; Ersatzforderung (Art. 70 Abs. 1 und 71 Abs. 1 StGB)
Grundsätze der Einziehung (Art. 70 Abs. 1 StGB): Die Einziehung von Vermögenswerten setzt eine strafbare Handlung, Vermögenswerte und einen direkten und unmittelbaren Kausalzusammenhang voraus, wonach der Erwerb der Vermögenswerte eine direkte Folge der strafbaren Handlung ist (wesentliche bzw. adäquate Ursache). Das "Verbrechen darf sich nicht lohnen" (Adagium: le crime ne doit pas payer). Vermögenswerte sind alle unrechtmässigen wirtschaftlichen Vorteile. Die Einziehung ist nicht gegeben, wenn die Straftat den Erwerb lediglich durch einen nachfolgenden, legalen Akt ohne unmittelbaren Konnex erleichtert hat.
Verjährung der Einziehung (Art. 70 Abs. 3 StGB): Das Recht zur Einziehung verjährt nach sieben Jahren, auch wenn die strafrechtliche Verfolgung der zugrundeliegenden Straftat (hier: Widerhandlung gegen UWG, nach Art. 109 StGB innert drei Jahren verjährt) bereits verjährt ist.
Ersatzforderung (Art. 71 Abs. 1 StGB): Ist der einzuziehende Vermögenswert nicht mehr vorhanden, ordnet der Richter eine Ersatzforderung zugunsten des Staates in entsprechendem Betrag an. Sie unterliegt den gleichen Voraussetzungen wie die Einziehung selbst.
Anwendung auf den Fall – Kausalität:
3. Höhe der Ersatzforderung (Art. 70 Abs. 5 StGB)
Schätzungsgrundlage: Das Bundesgericht bestätigte, dass die Buchhaltung der Beschwerdeführerin keine präzise Bestimmung des direkten Gewinns aus den fraglichen Widerhandlungen zuliess. Auch die Anzahl der durch die illegalen Angebote angelockten Kunden oder der unrechtmässig erzielte Gewinn zum Nachteil der Konkurrenz sei nicht genau bestimmbar. Daher sei eine Schätzung ex aequo et bono zulässig (Art. 70 Abs. 5 StGB gewährt eine Beweiserleichterung für die Bestimmung der Höhe). Die Verwendung des EBITDA (Earnings before interest, taxes, depreciation and amortisation) als Schätzungsgrundlage sei nicht zu beanstanden.
Verhältnismässigkeit der Höhe:
III. Schlussfolgerung
Das Bundesgericht weist die Beschwerde, soweit sie zulässig ist, ab.
Zusammenfassung der wesentlichen Punkte: