Gerne fasse ich das bereitgestellte Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts im Detail zusammen:
Bundesgericht, Urteil vom 28. November 2025 (5A_641/2024)
Parteien:
* Beschwerdeführer (Recourant): A._ (Sohn und Landwirt)
* Beschwerdegegner (Intimés): B._ (Sohn), C.__ (Witwe)
Streitgegenstand:
Erbteilung, insbesondere die Begründung einer Dienstbarkeit für die Zufahrt zu einer aus der Erbmasse ausgeschiedenen Parzelle zwecks landwirtschaftlicher Nutzung.
Sachverhalt (relevant für den Entscheid):
Der 2019 verstorbene D._ war Eigentümer mehrerer Parzellen, darunter die ursprüngliche Parzelle Nr. 55 in U._. A.__ bewirtschaftet diese Parzellen seit 2006 als Pächter.
- Erbvertrag (Pacte successoral) vom 6. Juli 2006: D._ schloss mit seinen Söhnen A._ und B._ sowie seiner Ehefrau C._ einen Erbvertrag. Dieser sah vor, die Parzelle Nr. 55 in zwei Grundstücke zu teilen: der "grün umrandete" Teil sollte A._ zufallen, der "rot umrandete" Teil (genannt "Le Pré") B._. A._ sollte zudem die Parzellen Nrn. 300, 301 und 91 sowie landwirtschaftliches Betriebsmaterial erhalten und B._ als Ausgleich 45% des aktualisierten Brandversicherungswertes des Familienbauernhauses zahlen.
- Parzellierung und Schenkung (2007): Am 4. April 2007 wurde die ursprüngliche Parzelle Nr. 55 in die (neue) Parzelle Nr. 55 und die Parzelle Nr. 333 geteilt. Am 17. April 2007 schenkte D._ die Parzelle Nr. 333 an B._, der darauf sein Wohnhaus errichtete. Ende April 2007 wurde eine Fuss- und Fahrwegrecht für leichte Fahrzeuge zugunsten der Parzelle Nr. 333 (dienendes Grundstück: Parzelle Nr. 55) im Grundbuch eingetragen.
- Wegrechtsvereinbarung (Convention) vom 7. April 2007: D._ und seine Söhne unterzeichneten eine Vereinbarung bezüglich des Zugangs zum "künftigen Eigentum" von B._. Darin hiess es: "Lorsque le pré sera détaché du domaine selon le pacte successoral, l'accès à ce pré nécessitera une nouvelle négociation." (Sobald "Le Pré" gemäss Erbvertrag vom Grundstück abgetrennt ist, erfordert der Zugang zu diesem eine neue Verhandlung.) Weiter wurde festgehalten: "Au cas où le pré venait à être vendu, tout ou en partie, également aussi en cas de changement d'affectation, il ne sera pas question d'accorder le passage sur la parcelle 55. Dans ce cas, une autre sortie devra être aménagée." (Sollte "Le Pré" ganz oder teilweise verkauft werden oder seine Zweckbestimmung ändern, wird ein Durchgang über die Parzelle Nr. 55 nicht in Frage kommen. In diesem Fall müsste eine andere Zufahrt eingerichtet werden.)
- Erbteilung und Morcellement-Projekt (2020): Nach dem Tod des Vaters D._ beauftragte die Erbvertragsexekutorin (Notarin E._) einen Geometer mit einem Parzellierungsprojekt (Projet de morcellement) der Parzelle Nr. 55 basierend auf dem Erbvertrag. Dieses Projekt sah die Schaffung einer neuen Parzelle Nr. 343 vor (aus Nr. 55 abzutrennen), die "Le Pré" entsprach und hauptsächlich in der Landwirtschaftszone lag. Der Geometer sah im Projekt vor, die bestehende Dienstbarkeit durch eine neue, erweiterte Dienstbarkeit für alle Fahrzeuge (einschliesslich landwirtschaftlicher Fahrzeuge) zu ersetzen, um den Zugang zur Parzelle Nr. 333 und zur künftigen Parzelle Nr. 343 zu gewährleisten. Die Notwendigkeit dieser Erweiterung ergab sich daraus, dass die bestehende Dienstbarkeit den Zugang für landwirtschaftliche Fahrzeuge nicht erlaubte.
- Streitigkeiten: A.__ widersetzte sich dem neuen Parzellierungsprojekt, insbesondere der Änderung der Dienstbarkeitstrasse, da er den bestehenden Zugang für ausreichend hielt. Er räumte jedoch später ein, dass die bestehende Dienstbarkeit den Durchgang für landwirtschaftliche Fahrzeuge nicht ermöglichte. Die Notarin trat aufgrund der Uneinigkeit von ihrem Mandat als Willensvollstreckerin zurück.
Prozessgeschichte:
A._ reichte eine Klage auf Erbteilung ein. Die Vorinstanzen (Zivilgerichtspräsidentin und Appellationshof des Kantons Waadt) ordneten die Erbteilung entsprechend dem Erbvertrag an, wiesen die Parzellen zu und ordneten die Eintragung einer neuen, erweiterten Dienstbarkeit für alle Fahrzeuge zugunsten der Parzelle Nr. 343 (und Nr. 333) und zulasten der Parzelle Nr. 55 gemäss dem Geometerprojekt an. A._ gelangte daraufhin an das Bundesgericht.
Rechtliche Argumentation des Bundesgerichts:
Das Bundesgericht prüfte die Beschwerde in Zivilsachen von A.__, die sich gegen die Begründung der erweiterten Dienstbarkeit richtete. Es stützte sich dabei auf die zweigeteilte Begründung der kantonalen Instanz und prüfte deren Rechtmässigkeit.
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Erste Begründung der Vorinstanz ("Destination du père de famille"):
- Die kantonale Instanz begründete die Dienstbarkeit primär mit dem Rechtsinstitut der "Destination du père de famille". Sie führte aus, Art. 694 ZGB (Notwegrecht) sei nicht direkt anwendbar, wenn eine Dienstbarkeit aufgrund der Teilung eines ursprünglich einheitlichen Grundstücks notwendig werde.
- Vielmehr würden Dienstbarkeiten, die bei der Teilung hätten geschaffen werden müssen, dies aber nicht wurden, auch nach der Teilung relevant bleiben. Sie könnten auf der Grundlage eines gesetzlichen Titels – einer richterlichen Rechtsfortbildung zur Lückenfüllung, inspiriert durch Art. 674 Abs. 3 ZGB (Überbau) – geschaffen werden.
- Dies sei die "Destination du père de famille", ein in alten kantonalen Zivilgesetzbüchern (z.B. Waadt von 1819, Art. 482 ff.) bekanntes Prinzip.
- Demzufolge habe der Erbteilungsrichter, wenn er eine Realteilung eines Nachlassgrundstücks vornimmt, die Aufgabe, die für die Bewirtschaftung jeder aus der Teilung entstehenden Parzelle nützlichen Dienstbarkeiten zu errichten. Diese Begründung allein rechtfertige die Schaffung der streitigen Dienstbarkeit, ohne dass es eines anderen Titels als des Gesetzes (bzw. der lückenfüllenden Rechtsprechung) bedürfe.
- Würdigung durch das Bundesgericht: Das Bundesgericht liess die Frage, ob die Schaffung der Dienstbarkeit auf der Grundlage der "Destination du père de famille" im vorliegenden Fall rechtlich haltbar sei, ausdrücklich offen. Es befand, dass die zweite Begründung der kantonalen Instanz Bestand habe und den Ausgang des Rechtsstreits entscheide, weshalb es nicht notwendig sei, auf die erste Begründung einzugehen.
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Zweite Begründung der Vorinstanz (Konventionelle Grundlage: Vereinbarung vom 7. April 2007):
- Die kantonale Instanz führte hilfsweise an, dass jedenfalls ein konventioneller Titel für die Dienstbarkeit bestehe.
- Die Vereinbarung vom 7. April 2007 habe die Änderung der bestehenden Zufahrtsdienstbarkeit ausdrücklich vorgesehen, sobald "Le Pré" gemäss Erbvertrag abgetrennt sei und der Zugang dazu "neuer Verhandlungen" bedürfe. Der Begriff "lorsque" (wenn) beziehe sich auf den Zeitpunkt der Parzellierung gemäss Erbvertrag, nicht auf einen späteren Zeitpunkt.
- Das Engagement zu "neuen Verhandlungen" sei als ein Vertrag über künftige Erbschaft im Sinne von Art. 636 Abs. 1 ZGB zu qualifizieren. Die Rechtsprechung verlange für solche Verträge nicht die Form eines öffentlichen Testaments (im Gegensatz zu Art. 512 ZGB), da der Erblasser selbst keine Verpflichtung einging.
- Die Chronologie der Ereignisse (Parzellierung 55 in neue 55 und 333 am 4. April 2007; Unterzeichnung der Wegrechtsvereinbarung am 7. April 2007; Schenkung der Parzelle 333 an B._ am 17. April 2007) lasse darauf schliessen, dass die Vereinbarung die Situation der damals geschaffenen Dienstbarkeit für Parzelle Nr. 333 regeln und die Modalitäten des Zugangs zum "Le Pré" (das B._ später erben sollte) festlegen sollte, wobei dieser Zugang im Wesentlichen der gleichen Trasse folgen sollte wie der Zugang zu Parzelle Nr. 333.
- Da die Parteien (einschliesslich A._, der dies in der ersten Verhandlung einräumte) die Ungenügendheit der bestehenden Dienstbarkeit für die landwirtschaftliche Nutzung der Parzelle Nr. 343 und die Notwendigkeit einer Anpassung an die übliche Trasse anerkannt hätten, sei der Richter verpflichtet, diese Vereinbarung umzusetzen und eine Trasse zu bestimmen, die den landwirtschaftlichen Zugang zum "Le Pré" ermöglicht. A._ habe zudem keine alternative Trasse vorgeschlagen.
- Angriff des Beschwerdeführers: A.__ bestritt die Auslegung der Vereinbarung von 2007 durch die Vorinstanz, da sie das Vertrauensprinzip (Art. 18 OR) verletze und willkürlich sei (Art. 9 BV). Er argumentierte, "lorsque" beziehe sich nur auf die gleichzeitige Abtrennung und neue Verhandlung, nicht auf eine gleichzeitige Festlegung einer neuen Dienstbarkeit. Zudem verwies er auf die Klausel, wonach bei Verkauf oder Nutzungsänderung eine "andere Zufahrt" eingerichtet werden müsste, was beweise, dass eine alternative Zufahrt grundsätzlich denkbar sei. Er rügte zudem, dass die Neudefinition der Dienstbarkeit auch den Zugang zur Parzelle Nr. 333 (nicht Gegenstand der aktuellen Parzellierung) betreffe und somit für den Zugang zur alleinigen Parzelle Nr. 343 "überflüssig" sei.
- Würdigung durch das Bundesgericht:
- Das Bundesgericht hielt fest, dass A.__ die Qualifikation der Vereinbarung von 2007 als Vertrag über künftige Erbschaft (Art. 636 Abs. 1 ZGB) und deren Formvorschriften nicht rügte.
- Bezüglich der Vertragsauslegung bekräftigte das Bundesgericht, dass die Vorinstanz die reale und gemeinsame Absicht der Parteien (subjektive Auslegung) im Kontext der Ereignisse ermittelt habe. Die Feststellung dieser realen Absicht sei eine Sachverhaltsfeststellung. A.__ beschränke sich darauf, seine eigene Auslegung entgegenzusetzen, ohne die Willkür der kantonalen Auslegung darzulegen.
- Die Klausel, wonach eine "andere Zufahrt" erforderlich sei, greife nur im Falle eines Verkaufs oder einer Nutzungsänderung von "Le Pré". Dies bedeute gerade, dass bei Fehlen solcher Änderungen der Durchgang über die Parzelle Nr. 55 als vereinbart gelte.
- Der Umstand, dass die erweiterte Dienstbarkeit auch den Zugang zur Parzelle Nr. 333 gewährleiste, sei nicht entscheidend, da dieser Zugang bereits durch die bestehende Dienstbarkeit gesichert war. Die Erweiterung diene primär der landwirtschaftlichen Nutzung der Parzelle Nr. 343, deren Notwendigkeit der Beschwerdeführer selbst anerkannt hatte (Ungenügendheit des bestehenden Zugangs für landwirtschaftliche Fahrzeuge).
- Insgesamt erachtete das Bundesgericht die Auslegung der Vereinbarung von 2007 durch die kantonale Instanz als rechtlich korrekt und nicht willkürlich.
Schlussfolgerung des Bundesgerichts:
Die Beschwerde wird, soweit zulässig, abgewiesen.
Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:
Das Bundesgericht bestätigte die Anordnung der Vorinstanzen zur Begründung einer erweiterten Dienstbarkeit für die landwirtschaftliche Nutzung der Parzelle "Le Pré" (künftige Parzelle Nr. 343), die B.__ aus der Erbmasse seines Vaters erhalten sollte. Es stützte sich dabei massgeblich auf die Interpretation einer Vereinbarung aus dem Jahr 2007, die zwischen dem Erblasser und seinen Söhnen geschlossen wurde. Diese Vereinbarung, qualifiziert als Vertrag über künftige Erbschaft (Art. 636 Abs. 1 ZGB), sah ausdrücklich vor, dass der Zugang zu "Le Pré" bei dessen Abtrennung "neu verhandelt" werden müsse. Das Bundesgericht bestätigte die Auslegung der Vorinstanz, wonach diese Klausel die Schaffung einer den landwirtschaftlichen Bedürfnissen angepassten Dienstbarkeit erforderte, insbesondere da der Beschwerdeführer selbst die Ungenügendheit der bestehenden Zufahrt für landwirtschaftliche Fahrzeuge anerkannt hatte. Die Argumente des Beschwerdeführers gegen diese Auslegung wurden als unzureichend und nicht willkürlich erachtet. Die primäre Begründung der Vorinstanz (Destination du père de famille) konnte vom Bundesgericht offengelassen werden, da die konventionelle Grundlage den Entscheid trug.