Zusammenfassung von BGer-Urteil 6B_794/2025 vom 3. Dezember 2025

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Gerne, hier ist eine detaillierte Zusammenfassung des Urteils 6B_794/2025 des Schweizerischen Bundesgerichts.

Detaillierte Zusammenfassung des Urteils 6B_794/2025 des Schweizerischen Bundesgerichts vom 3. Dezember 2025

1. Parteien und Gegenstand Der Beschwerdeführer, A.__, ein brasilianischer Staatsangehöriger, reichte eine Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht ein. Beschwerdegegner war die Staatsanwaltschaft des Kantons Wallis. Streitgegenstand war die vom Kantonsgericht Wallis bestätigte Landesverweisung des Beschwerdeführers aus der Schweiz für die Dauer von 7 Jahren, die er als willkürlich und unverhältnismässig rügte. Er beantragte die Aufhebung der Landesverweisung, eventualiter die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz. Die Schuldsprüche für die begangenen Straftaten sowie die verhängte Freiheitsstrafe wurden vom Beschwerdeführer vor Bundesgericht nicht bestritten.

2. Sachverhalt (Zusammenfassung der relevanten Feststellungen der Vorinstanz)

  • Verurteilung und Strafe: Mit Urteil vom 20. Januar 2025 sprach das Bezirksgericht Sitten A.__ unter anderem schuldig des gewerbsmässigen Diebstahls (Art. 139 Ziff. 1 und 3 lit. a StGB), des Bandendiebstahls (Art. 139 Ziff. 1 und 3 lit. b StGB), der Sachbeschädigung (Art. 144 Abs. 1 StGB), des Hausfriedensbruchs (Art. 186a StGB) und des versuchten Hausfriedensbruchs, der geringfügigen unrechtmässigen Aneignung (Art. 137 Ziff. 2a i.V.m. Art. 172ter Abs. 1a StGB), des geringfügigen unrechtmässigen Gebrauchs eines Computersystems (Art. 147a i.V.m. Art. 172ter Abs. 1a StGB), diverser Strassenverkehrsdelikte (Art. 91 Abs. 2 lit. b, 94 Abs. 1 lit. a, 94 Abs. 4, 95 Abs. 1 lit. a und e, 96 Abs. 2 Satz 1, 97 Abs. 1 lit. a und g, 90 Abs. 1 i.V.m. Art. 31 Abs. 1, 96 Abs. 1 lit. a SVG), von Verstössen gegen das Betäubungsmittelgesetz (Art. 19 Abs. 1, 19a Ziff. 1a BetmG) und des Fahrens ohne gültigen Fahrausweis (Art. 57 Abs. 3 LTG). Er wurde zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von 36 Monaten (zu einer früheren Verurteilung aus dem Jahr 2022) und einer Busse von 300 Franken verurteilt. Gleichzeitig wurde der ihm am 10. Juni 2022 gewährte bedingte Vollzug einer Geldstrafe widerrufen. Entscheidend für das vorliegende Verfahren war die Anordnung der Landesverweisung für 7 Jahre. Das Kantonsgericht Wallis bestätigte dieses Urteil mit Entscheid vom 24. Juli 2025.
  • Biografie und Integration: A.__ wurde 2004 in Brasilien geboren und lebte dort bis zu seinem 13. Lebensjahr. 2017 kam er mit seiner Mutter in die Schweiz, verbrachte ein Jahr in Frankreich und liess sich 2018 mit seiner Mutter und seinem Stiefvater im Wallis nieder. Er unterhält kaum Kontakt zu seinem Vater und seinen drei Halbschwestern in Brasilien. Abgesehen von seiner Mutter und seinem Stiefvater lebt der Rest seiner Familie in Brasilien. Seine obligatorische Schulzeit absolvierte er in der Schweiz. Eine 2022 begonnene Mechanikerlehre brach er nach einer Woche ab. Ende 2022 kehrte er für 5-6 Monate zu seiner Grossmutter nach Brasilien zurück. Seine Mutter erhielt angeblich Drohungen von Personen in Brasilien, die Geld forderten, um seinem Sohn nichts anzutun. Der Beschwerdeführer besitzt keine Berufsdiplome und hat keine Lehre abgeschlossen. Er ist, abgesehen von einem Fussballverein, in keinen Vereinen oder Gesellschaften aktiv.
  • Vorstrafenregister: Das Strafregister weist zwei frühere Verurteilungen auf:
    • Juni 2022: Geldstrafe (bedingt) und Busse wegen unrechtmässigem Gebrauch eines Fahrzeugs und Verhinderung einer Amtshandlung.
    • Oktober 2022: 9 Monate Freiheitsentzug durch das Jugendgericht wegen einfachem Diebstahl, Bandendiebstahl, Sachbeschädigung, Hehlerei, Hausfriedensbruch, Verhinderung einer Amtshandlung, Entwendung zum Gebrauch, Delikten und Übertretungen gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie diversen Strassenverkehrsdelikten.

3. Rechtliche Erwägungen des Bundesgerichts

3.1. Prüfungsumfang und Sachverhaltsfeststellung Das Bundesgericht ist keine Appellationsinstanz und an die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, diese wurden offensichtlich unrichtig im Sinne von Willkür (Art. 97 Abs. 1 BGG, Art. 9 BV) festgestellt. Willkür ist nur gegeben, wenn der angefochtene Entscheid nicht nur strittig oder gar fragwürdig erscheint, sondern schlechthin unhaltbar ist, dies nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis (E. 2.1). Die vom Beschwerdeführer gegen die Sachverhaltsfeststellungen vorgebrachten Rügen qualifizierte das Bundesgericht mehrfach als appellatorisch und somit unzulässig.

3.2. Die obligatorische Landesverweisung (Art. 66a Abs. 1 StGB) Gemäss Art. 66a Abs. 1 lit. c und d StGB muss der Richter einen Ausländer aus der Schweiz verweisen, der unter anderem wegen qualifizierten Diebstahls oder Diebstahls in Verbindung mit Hausfriedensbruch verurteilt wird, und dies für eine Dauer von 5 bis 15 Jahren. Der Beschwerdeführer, ein brasilianischer Staatsangehöriger, wurde wegen gewerbsmässigen Diebstahls und Bandendiebstahls (Art. 139 Ziff. 1 und Ziff. 3 lit. a und b StGB) sowie Diebstahls in Verbindung mit Hausfriedensbruch (Art. 139 i.V.m. Art. 186a StGB) verurteilt. Damit sind die objektiven Voraussetzungen einer obligatorischen Landesverweisung gemäss Art. 66a Abs. 1 lit. c und d StGB prima facie erfüllt (E. 2.2.1).

3.3. Die Härtefallklausel (Art. 66a Abs. 2 StGB)

3.3.1. Voraussetzungen und Auslegung Die Härtefallklausel von Art. 66a Abs. 2 StGB erlaubt es dem Richter, ausnahmsweise von einer Landesverweisung abzusehen, wenn diese für den Ausländer eine schwere persönliche Lage schaffen würde und das öffentliche Interesse an der Landesverweisung das private Interesse des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegt. Die Klausel dient der Gewährleistung des Verhältnismässigkeitsprinzips (Art. 5 Abs. 2 BV) und ist restriktiv auszulegen. Bei der Beurteilung sind Kriterien heranzuziehen, die sich an Art. 31 Abs. 1 der Ausländer- und Integrationsverordnung (AIG-V, früher VZAE) und der dazu ergangenen Rechtsprechung orientieren. Dazu gehören die Integration (Art. 58a Abs. 1 AIG), die familiäre Situation, die finanzielle Lage, die Aufenthaltsdauer, der Gesundheitszustand sowie die Wiedereingliederungsmöglichkeiten im Herkunftsstaat. Auch die Aussichten auf soziale Wiedereingliederung des Verurteilten sind zu berücksichtigen. Eine schwere persönliche Lage wird in der Regel angenommen, wenn die Landesverweisung einen erheblichen Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäss Art. 13 BV und Art. 8 EMRK darstellt (E. 2.2.2).

3.3.2. Recht auf Privatleben (Art. 8 Abs. 1 EMRK) Um sich auf das Recht auf Achtung des Privatlebens berufen zu können, muss der Ausländer besonders intensive soziale und berufliche Bindungen zur Schweiz nachweisen, die deutlich über jene einer gewöhnlichen Integration hinausgehen. Das Bundesgericht folgt dabei keinem schematischen Ansatz, der allein aufgrund einer bestimmten Aufenthaltsdauer ein Verwurzeltsein annimmt. Jahre des illegalen Aufenthalts, im Gefängnis oder mit blosser Duldung finden dabei nur geringes Gewicht (E. 2.2.3).

Im vorliegenden Fall hielt das Bundesgericht fest, dass der Beschwerdeführer in Brasilien geboren und aufgewachsen ist und erst im Alter von 13 Jahren in die Schweiz kam. Beruflich besitzt er keinen Abschluss und hat keine Lehre beendet. Er ist ausser einem Fussballclub in keinen weiteren Vereinen aktiv. Seit seiner Ankunft in der Schweiz vor rund 8 Jahren wurde er bereits zweimal strafrechtlich verurteilt und verbrachte einen Grossteil dieser Zeit im Gefängnis oder im Ausland (ein Jahr in Frankreich, 5-6 Monate in Brasilien Ende 2022). Bei seiner letzten Verhaftung im August 2023 hatte er die Absicht, die Schweiz endgültig in Richtung Brasilien zu verlassen, da er keine Arbeit fand. Er hat in der Schweiz nie wirklich gearbeitet oder ein regelmässiges Einkommen erzielt. Seine Integration in der Schweiz wurde als mittelmässig beurteilt, und er konnte sich daher keiner besonders erfolgreichen Integration rühmen (E. 2.4.1).

3.3.3. Recht auf Familienleben (Art. 8 Abs. 1 EMRK) Das Recht auf Achtung des Familienlebens schützt Beziehungen der Kernfamilie (Ehegatten, Eltern und minderjährige Kinder im gemeinsamen Haushalt), sofern eine enge und effektive Beziehung zu einer dauerhaft in der Schweiz aufenthaltsberechtigten Person besteht (E. 2.2.3).

Da der Beschwerdeführer volljährig ist und ausser seiner Mutter, die in der Schweiz lebt, keine weiteren familiären Bindungen in der Schweiz hat (der Rest seiner Familie lebt in Brasilien), konnte er sich nicht auf ein Recht auf Schutz seines Familienlebens im Sinne der Rechtsprechung berufen (E. 2.4.2).

3.3.4. Zwischenfazit zur schweren persönlichen Lage Basierend auf diesen Feststellungen kam das Bundesgericht zum Schluss, dass die Landesverweisung den Beschwerdeführer nicht in eine schwere persönliche Lage versetzen würde. Somit war die erste der kumulativen Bedingungen von Art. 66a Abs. 2 StGB nicht erfüllt (E. 2.4.3).

3.4. Verhältnismässigkeitsprüfung und Güterabwägung (subsidiär) Auch wenn eine schwere persönliche Lage angenommen worden wäre, hätte das öffentliche Interesse an der Landesverweisung das private Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib in der Schweiz überwogen (E. 2.4.4).

3.4.1. Öffentliches Interesse an der Landesverweisung Das öffentliche Interesse wurde als wichtig erachtet, insbesondere angesichts der Schwere und der Anzahl der begangenen Straftaten. Zwischen dem 15. Mai 2022 und dem 25. Juli 2023 beging der Beschwerdeführer über 18 Diebstähle, hinzu kamen zahlreiche Sachbeschädigungen, Hausfriedensbrüche sowie weitere Delikte (geringfügige unrechtmässige Aneignung, geringfügiger unrechtmässiger Gebrauch eines Computersystems, multiple Strassenverkehrsdelikte, Betäubungsmittelverstösse und eine Übertretung des Transportgesetzes). Dieses Verhalten, gekoppelt mit seinen Vorstrafen, zeige eine ständige und vollständige Missachtung der schweizerischen Rechtsordnung und des Sicherheitsgefühls anderer. Aufgrund seiner mangelhaften Integration, seiner Vorstrafen und der bestehenden Rückfallgefahr stellt der Beschwerdeführer eine aktuelle und reale Bedrohung für die öffentliche Ordnung der Schweiz dar. Hinzu kommt, dass die verhängte Freiheitsstrafe von 36 Monaten die Schwelle von zwei Jahren übersteigt. Gemäss der sogenannten "Zweijahresregel" sind in solchen Fällen ausserordentliche Umstände erforderlich, damit das private Interesse am Verbleib in der Schweiz das öffentliche Interesse an der Landesverweisung überwiegt (E. 2.2.4, E. 2.4.4).

3.4.2. Privates Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Argumente, er habe aufgrund seines jungen Alters und der Rechtsprechung (Verweis auf BGer-Urteil 6B_914/2020) realistische Aussichten auf eine berufliche Wiedereingliederung, wurden als appellatorisch zurückgewiesen. Das Bundesgericht stellte fest, dass im vorliegenden Fall keine positive Entwicklung des Verhaltens und der Situation des Beschwerdeführers festzustellen sei, da er einen Grossteil der Zeit seit den Taten im Gefängnis oder im Ausland verbracht hatte und keine Stabilisierung seiner persönlichen und beruflichen Situation eingetreten war. Er hatte auch nichts Konkretes unternommen, um sich von seinen früheren Praktiken zu distanzieren. Die Behauptung, die Haft und die Strafe würden angesichts seines jungen Alters seine Entwicklung positiv beeinflussen und die Rückfallgefahr ausschliessen, wurde ebenfalls als appellatorisch verworfen (E. 2.4.4). Sein sozialer Kreis in der Schweiz beschränkt sich auf seine Mutter, seinen Stiefvater und den lokalen Fussballclub. Die persönlichen Beziehungen zu seiner Mutter und seinem Stiefvater können durch moderne Kommunikationsmittel und Besuche/Ferien in Brasilien aufrechterhalten werden.

3.4.3. Reintegration im Herkunftsland Die Vorinstanz hatte zu Recht angenommen, dass die Wiedereingliederungsperspektiven des Beschwerdeführers in Brasilien nicht geringer seien als seine aktuellen in der Schweiz. Er beherrscht die Landessprache, hat einen Grossteil seiner Familie dort (er wurde dort geboren und lebte bis zu seinem 13. Lebensjahr dort) und ist Ende 2022 für 5-6 Monate dorthin zurückgekehrt. Die vom Beschwerdeführer erneut vorgebrachten, aber nicht belegten Behauptungen über fehlende Kontakte oder Drohungen in Brasilien wurden als appellatorisch und unglaubwürdig zurückgewiesen, da er bei seiner ersten Verhaftung 2022 noch telefonischen Kontakt zu seinen Halbschwestern und ein gutes Verhältnis zu seinem Vater angegeben hatte. Auch die Grossmutter in Brasilien könnte ihn notfalls aufnehmen (E. 2.4.4).

3.5. Dauer der Landesverweisung Die Dauer der Landesverweisung von 7 Jahren wurde vom Beschwerdeführer nicht bestritten und vom Bundesgericht als angesichts der Umstände nicht unverhältnismässig bestätigt (E. 2.5).

4. Fazit des Bundesgerichts Zusammenfassend hat das Bundesgericht keinen Verstoss gegen Bundes- oder Konventionsrecht festgestellt. Die Landesverweisung wurde bestätigt. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wurde mangels Erfolgsaussichten abgewiesen (Art. 64 Abs. 1 BGG), und die Gerichtskosten von 1'200 Franken wurden dem Beschwerdeführer unter Berücksichtigung seiner finanziellen Lage auferlegt (Art. 65 Abs. 2, 66 Abs. 1 BGG).

Kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

Das Bundesgericht bestätigte die obligatorische Landesverweisung eines brasilianischen Staatsangehörigen für 7 Jahre, der wegen zahlreicher schwerer Vermögens- und anderer Delikte (u.a. gewerbsmässiger Diebstahl, Bandendiebstahl) zu 36 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Es verneinte das Vorliegen einer schweren persönlichen Lage im Sinne der Härtefallklausel (Art. 66a Abs. 2 StGB). Dies wurde damit begründet, dass der Beschwerdeführer, der als 13-Jähriger in die Schweiz kam, keine besonders intensiven sozialen oder beruflichen Bindungen (Art. 8 EMRK) nachweisen konnte; seine Integration sei mangelhaft und sein Familienleben beschränke sich auf die hier lebende Mutter, zu der die Beziehung als Volljähriger nicht den Schutzstandard des Familienlebens erfülle. Auch eine subsidiär geprüfte Güterabwägung fiel zuungunsten des Beschwerdeführers aus: Das öffentliche Interesse an seiner Landesverweisung überwog aufgrund der Vielzahl und Schwere seiner Taten, der Missachtung der Rechtsordnung und der bestehenden Rückfallgefahr deutlich sein geringes privates Bleibeinteresse. Zudem fand die Zweijahresregel Anwendung, welche bei einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren nur in ausserordentlichen Umständen einen Verzicht auf die Landesverweisung zulässt. Die Reintegration im Herkunftsland Brasilien wurde als zumutbar erachtet.